Rechtlicher Hinweis

Sämtliche Texte unterliegen dem Copyright. Eine Nutzung bedarf in jedem Fall der schriftlichen Zustimmung des Autors Jürgen Lepszy

"Alle Rechte vorbehalten"

 Die Tänzerin

von Jürgen Lepszy

 In den neonverstrahlten Katakomben der Stadt, wo pulsierende Bässe die Luft zum Vibrieren bringen und der Alkohol ungehemmt fließt, fand ich Erlösung in der rohen Ungezähmtheit des Rock'n'Rolls. Mir lag nichts an einstudierten akrobatischen Schrittfolgen, noch an athletischen Kraftproben. Ich musste aus dem Korsett des Verstandes in die ungezähmte Ursprünglichkeit entfliehen. Wochenenden und Wochenenden verlor ich mich in diesem Strudel aus Rhythmen und schweißnassen Körpern. In diesem Zustand des Loslassens vergaß ich die Welt um mich herum. Meine Gedanken zerflossen im Rausch der Musik, mein Körper bewegte sich ekstatisch intensiv.
Doch dann, an einem schicksalhaften Abend, sah ich sie auf der Tanzfläche. Zart und zerbrechlich wirkte sie inmitten der tobenden Menge. Ich war wie gebannt, vergaß mein eigenes Tanzen, beobachtete verzaubert ihr Spiel, wie ein Voyeur in einer heiligen Zeremonie. Mit jedem Takt der Musik schien sie sich mehr und mehr zu entblößen, ihre Hülle aus irdischen Fesseln zu streifen, um sich ungezähmt der Welt zu präsentieren. Sie tanzte nur für sich. In ihren Augen glühte ein Feuer, das tief in meine Seele griff und mich aus den Tiefen meiner eigenen Banalität riss. Ihre Bewegungen waren vollkommen frei, befreit von allen Konventionen und Zwängen. Es war kein bloßer Tanz, sondern ein Ausdruck ihrer Seele, ein Ausbruch ihrer tiefsten Gefühle. Und doch wirkte es so, als dass sie versuchte, auf der Tanzfläche ein imaginäres Höllenfeuer auszutreten.
In diesem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher, als Musiker zu sein, um ihre Essenz in Musik zu fassen, ihren Tanz in eine Sinfonie zu verwandeln.
Künstliche Blitze zuckten durch die Dunkelheit, der Heavy-Metal-Donner grollte und Rauchschwaden wabberten umher. Ein fiebriges Zittern durchfuhr die Farben und tauchte alles in eine unwirkliche Szenerie. Noch gefangen in Bewunderung und Entzücken, verlor ich den Kontakt zu ihr. Sie selbst war unauffindbar, wie vom Erdboden verschluckt. Woche um Woche kehrte ich zurück, voller Hoffnung, sie wiederzusehen. Doch vergebens. Meine Liebe zu ihr blieb unsterblich, vielleicht auch, weil sie in meinen Träumen weiterlebte und mich dort niemals enttäuschen konnte.

 

© Jürgen Lepszy 2024
 

Die Tänzerin

geschrieben, gelesen & bearbeitet von Jürgen Lepszy

Tewern von Zanteln

von Jürgen Lepszy

In der beschaulichen Siedlung, wo gepflegte Vorgärten und akkurat getrimmte Hecken das Bild bestimmten, war Tewern von Zanteln eine schillernde Ausnahme, ein exotisches Gewächs, ein schillernder Kolibri im eintönigen Spatzennest. Schon oft hatte ich ihn in seinem Gartenreich beobachtet, wie er mit zärtlichen Händen die Erde bearbeitete, als erwecke er darin verborgene Schätze zum Leben. Prächtige Blumen in allen Farben des Regenbogens, kunstvoll arrangiert und von üppigem Grün umrahmt, bildeten ein märchenhaftes Ensemble. Man konnte sich leicht vorstellen, dass Tewern in einem früheren Leben als Gärtner in den prunkvollen Gärten von Versailles oder Schönbrunn gewirkt hatte. Tewerns Hände, gegerbt von der unermüdlichen Arbeit im Freien, zauberten aus der Erde eine Symphonie des Lebens. Königliche Lilien reckten stolz ihre Blütenkelche in die Sonne, während zarte Blauperlgras wie ein Hauch von Azurblau über den Boden wogte. Indianernesseln und japanische Säulenkirschen bildeten ein exotisches Ensemble, und der Duft von Thymian, Rosmarin und Lavendel erfüllte die Luft mit betörender Süße. Es war ein wildes, ungezähmtes Labyrinth aus Farben, Düften und Formen, wo sich exotische Pflanzen mit heimischen Gewächsen zu einem rauschenden Fest der Sinne vereinten. In diesem Refugium verbrachte Tewern Stunden, pflegte seine geliebten Blumen mit zärtlicher Hingabe und beobachtete mit funkelnden Augen die kleinen Wunder des Daseins: das tänzeln der Schmetterlinge im Lavendel, das Summen der Bienen im Salbei, das Murmeln des kleinen Baches am Rande seines Steingartens.
Unsere Begegnungen beschränkten sich auf ein kurzes Lächeln und ein höfliches "Grüß Gott", doch ich spürte eine tiefe Faszination für diesen sonderbaren Mann. Neben seiner Liebe zur Pflanzenwelt, pflegte er eine weitere Leidenschaft: die Astronomie. Oft sah man ihn in lauen Sommernächten auf seinem Dach stehen, mit einem Teleskop in die unendlichen Weiten des Kosmos blickend.
Die Neugierde packte mich und ich beschloss, Tewern anzusprechen. "Darf ich Ihnen morgen  Gesellschaft leisten, wenn Sie in die Sterne schauen?", fragte ich zaghaft. "Gerne", erwiderte er mit einem warmen Lächeln. "Dann können wir gemeinsam die Wunder des Universums erkunden."
Tewern, ein Mann von schlichter Gestalt und tiefen Augen, empfing mich mit herzlicher Wärme. In seinem Garten, unter dem schützenden Blätterdach eines alten Baumes, servierte er mir selbstgemachte Zitronenlimonade und eine köstliche Minestrone. In sanftem Licht schimmerte die Suppe, ein köstliches Kunstwerk aus dem Garten der Genüsse. Artischocken, wie kleine grüne Sonnen, schwammen neben rubinroten Kirschtomaten, während weiße Bohnen, wie Perlen aus einer verzauberten Schote, den Boden zierten. Dazwischen tanzten Suppennudeln, wie kleine Geister in einem wärmenden See. Eine zarte Scheibe italienischer Salami, hauchdünn geschnitten, krönte den Reigen der Genüsse.
Die köstliche Minestrone wärmte noch unsere Mägen, während wir uns langsam in tiefes Gespräch versanken. Ein Moment der Stille umhüllte uns, es dämmerte schon, bis mein Nachbar sich vorlehnte und mit nachdenklicher Stimme sprach: "Weißt du, die meisten Menschen erscheinen mir wie die Sterne. Sie strahlen hell, doch ihr Licht entstammt längst vergangenen Zeiten." Seine Worte hingen in der Luft, voller unergründlicher Geheimnisse und kosmischer Weisheit. Sie lenkten meinen Blick auf den funkelnden Sternenhimmel, der sich langsam über uns erstreckte.
"Lass uns die Galaxie betrachten", fuhr er fort, seine Hand ausstreckend, um die unzähligen Lichtpunkte am Firmament zu umfassen. "Betrachte die Vielfalt der Himmelskörper, die dort in unendlicher Weite tanzen."
Er holte tief Luft und fuhr fort: "Nehmen wir zum Beispiel den TrEs-2b, den dunkelsten Planeten, der je entdeckt wurde. Dieser Planet reflektiert kaum Licht. Er leuchtet schwach rot und seine Atmosphäre ist dicht und erstickend. Wusstest du, dass er über 750 Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernt ist?" Seine Frage hallte in mir wider und ließ mich die Unendlichkeit des Kosmos erahnen. Ich schüttelte den Kopf. "Nein, das wusste ich nicht."
"Schau, die Venus, strahlender Stern am Nachthimmel, lockt seit jeher die Menschheit mit ihrer Schönheit. Doch hinter ihrer gleißenden Fassade verbirgt sich eine Welt von unerwarteter Härte. Mit einem Oberflächendruck, der das Neunzigfache des unseren beträgt, und einer Atmosphäre, die fast vollständig aus Kohlendioxid besteht, gleicht die Venus eher einem brodelnden Inferno als einem irdischen Paradies. Nehmen wir den Mars, der ferne Nachbar der Erde. Er fasziniert uns mit seiner rötlichen Färbung und der Vorstellung von außerirdischem Leben. Doch seine karge Oberfläche und die extremen Bedingungen lassen ihn als unwirtliche Wüste erscheinen. Mit nur der Hälfte des Erdradius ausgestattet, präsentiert der Mars eine vielfältige Geologie, die von gigantischen Vulkanen bis hin zu tiefen Schluchten reicht. Doch die dünne Atmosphäre, die kaum Sonnenwärme speichern kann, führt zu Temperaturunterschieden, die selbst die härtesten irdischen Lebensformen überfordern würden. Mit einer Durchschnittstemperatur von etwa -55 Grad Celsius ist der Mars ein eiskalter Planet, der flüssiges Wasser nur in Form von Eis und Schnee kennt".
Ich hörte gespannt zu, doch ich musste in diesem Moment einfach die Frage stellen: " "Warum vergleichen Sie die meisten Menschen mit Sternen, die zwar strahlen, aber längst erloschen sind?", fragte ich Tewern von Zanteln mit leiser Neugier. Er lächelte und wandte seinen Blick wieder gen Himmel. "Schau dir die Sommergewitter an", sagte er mit ruhiger Stimme. "Dieses Schauspiel der Natur, dieses unbändige Wüten der Elemente, bis sie sich erschöpfen und der Sonne wieder Platz machen." "Und dann", fuhr er fort, "erscheint der Regenbogen auf der dunklen Regenwand, ein Zeichen der Versöhnung nach dem Sturm. Doch wer erlebt dies noch mit wahrhaftigem Erstaunen? Wer spürt die tiefe Verbundenheit mit der Natur, das Geheimnisvolle, das in ihr verborgen liegt?"
"Wir sind stumpf geworden", bedauerte Tewern. "Erlöschen, unfähig, Freude an der Schlichtheit zu empfinden. Unsere Augen sind mit dem reinen Verstand erblindet, die Brücke zur Emotion, zur reinen Freude, zum kindlichen Staunen haben wir gekappt."
Er führte mich zu einer Brennnessel. "Schau", sagte er, "diese Pflanze, so unscheinbar und oft gefürchtet, beherbergt ein Wunder. Hier wird irgendwann eine Raupe sitzen, sich von ihren Blättern ernähren und sich später in einen wunderschönen Schmetterling verwandeln."
"Unsere Erde ist ein Wanderparadies", rief er aus. "Erklimme einen Berg, entdecke jeden Tag neue Pfade, anspruchsvolle Touren oder leichte Wanderungen. Tauche ein in die Wälder, umarme die Bäume, setze dich auf ihre starken Wurzeln und werde eins mit ihnen. Verzaubere sie mit deiner Fantasie, lasse Märchenwälder aus ihnen entstehen."
"Man kann sich von der Schönheit verzaubern lassen", fuhr er fort. "Streife durch Weingärten, genieße die angelegten Freizeit- und Erholungsparks. Berühre die Natur mit allen Sinnen. Spring ins Wasser, erfrische dich an einem kühlen Bergsee, am Bach oder unter einem Wasserfall. Mach eine Boots- oder Schiffsfahrt, nimm dir ein Kanu und gleite über die Wasseroberfläche."
Er führte mich zu einem Blumenbeet. "Schau dir den Lavendel an", sagte er. "Hier summt und brummt es bis in die Abendstunden nur so von Hummeln, Bienen und Schmetterlingen. Erlebe den Duft, die Farbenpracht, die Lebensfreude, die diese kleinen Wesen ausstrahlen."
"Stell dir vor", träumte er weiter, "wir entdecken ein Mammutbaum auf dem Mars, das wäre eine Sensation! Selbst eine Raublattaster auf dem Saturn, ein Sonnenblumenfeld auf dem Uranus. Eine einfache Brennnessel hätte den Neptun um ein Vielfaches schöner gemacht, als er ist."
Er blickte in die Ferne. "Ich habe nirgendswo auf all diesen Planeten und Himmelskörpern nur eine Sache gefunden, die mich so begeistert hatte wie hier, dieser Lavendel", gestand er. "Ich schaue in das Universum, um jeden Tag zu wissen, dass es hier am schönsten ist! Daraus schöpfe ich meine Dankbarkeit und die nötige Demut."

 

© Jürgen Lepszy 2024
 

Tewern von Zanteln

geschrieben, gelesen & bearbeitet von Jürgen Lepszy

Eldoria
Eine Weihnachtsgeschichte

Die Straßen von Eldoria leuchteten wie ein Zauberwerk, eine Symphonie aus Farben und Licht, die selbst den grimmigsten Bewohner in eine weihnachtliche Stimmung versetzen konnte. Überall duftete es nach gebrannten Mandeln und Zimt, und der Schnee, der sanft auf die alten Pflastersteine fiel, schien selbst Teil der festlichen Dekoration zu sein. 

Dieses Jahr jedoch lag eine besondere Aufregung in der Luft. Die Eldorianer hatten sich auf ein ungewöhnliches Fest geeinigt, eines, das die alten Traditionen durch etwas Neues, Mutiges und vielleicht ein wenig Magisches erweiterte. "Nicht hinter verschlossenen Türen," hatte der Stadtrat verkündet, "sondern gemeinsam, unter dem sternenübersäten Himmel, soll Weihnachten gefeiert werden. Jeder bringt zehn kleine Geschenke mit, um sie an Fremde zu verteilen."

Die Idee hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet, und so zogen die Bewohner von Eldoria an diesem kalten Abend in die Straßen, ihre Herzen und Hände beladen mit kleinen, liebevoll verpackten Überraschungen. Die Kinder waren die ersten, die losstürmten, ihre Augen groß vor Neugierde und Aufregung, ihre Taschen gefüllt mit Keksen, kleinen Spielsachen oder selbst gemalten Bildern.

Unter ihnen war Lila, ein zartes Mädchen mit schokoladenbraunen Zöpfen, das ihren Korb mit einer Entschlossenheit trug, die ihre acht Jahre weit überstieg. "Ich werde alle zehn Geschenke an Menschen geben, die traurig aussehen, mir unbekannt sind oder alleine sind" hatte sie ihrer Mutter gesagt, und diese hatte ihr ein warmes Lächeln geschenkt, das in Lilas Herzen den festen Entschluss gepflanzt hatte, etwas wirklich Gutes zu tun.

Die Gassen Eldorias waren voller Leben, aber es war nicht das fröhliche Treiben, das Lila auffiel, sondern der alte Mann, der allein auf einer Bank saß. Sein Mantel war alt, seine Schuhe schienen zu dünn für die klirrende Kälte. Sein Gesicht, von tiefen Falten gezeichnet, erzählte Geschichten von Jahren voller Freuden und Enttäuschungen. Seine Augen blickten traurig in die Ferne und doch war in ihnen ein melancholischer Glanz, vielleicht beflügelt von der Idee, dass alle Menschen zusammen Weihnachten feierten.

Lila zögerte nicht lange. Sie griff in ihren Korb, zog einen sorgfältig eingewickelten Keks hervor und trat mit festen Schritten auf den Mann zu.

"Frohe Weihnachten, Herr! Möchten Sie einen Keks?"

Der alte Mann blickte auf, überrascht, als hätte er nicht erwartet, dass die Welt ihn noch beachtete. Seine Augen – jene seltsame Mischung aus Traurigkeit und Hoffnung – trafen Lilas Blick, und langsam breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Es war nicht nur eine hohle Frase, Weihnachten draußen und zusammen zu feiern, dieser Gedanke hatte nun auch tatsächlich den letzten Eldorias erreicht.

"Danke, mein Kind," sagte er, das ist sehr freundlich von dir."

Lila setzte sich neben ihn, den Korb auf ihrem Schoß. "Ich habe mehr davon," bot sie an, und der Mann lachte leise – ein tiefes, raues Lachen, das fast wie das Knistern eines warmen Feuers klang. 

„Nein, danke“, es gibt bestimmt noch andere, die Deine köstlichen Kekse kosten wollen. Und wenn wir Eldorianer diese Gedanken heute umsetzen, bekomme ich sicher noch viele Kekse und Geschenke. Und nicht nur ich, sondern jeder hier.  Und dann zog er eine kleine Figur aus seinem Mantel. „Schau, für Dich“. Es war ein bezaubernder Schneemann aus Watte.  Und schon kamen die nächsten zu dem alten Mann und zu Lila und sie beschenkten sich und lachten. 

Währenddessen verwandelten sich die Straßen Eldorias immer mehr in ein lebendiges Mosaik aus Menschen, Geschichten und kleinen Gesten der Freundlichkeit. Fremde waren nicht mehr so fremd, Kinder lernten, dass Magie nicht in Zaubersprüchen oder Zauberstäben liegt, sondern in der Art und Weise, wie man die Welt ein klein wenig heller macht.

Lila fand nur noch unbekannte, aber keine Traurigen oder Einsame mehr und das erfüllte ihr Herz mit einem reinen Glück, dass es heute fast nicht mehr zu spüren gibt.   

Als die Glocken der Stadt zur Abendstunde läuteten, versammelten sich alle auf dem Marktplatz. Die Menschen fassten sich an den Händen und sangen. 

Lila stand neben dem alten Mann. Er hielt ihre Hand, und zum ersten Mal seit vielen Jahren sang er wieder, kräftig und klar. Lila fühlte, wie ihre eigene Stimme stärker wurde, getragen von der Wärme, die sich wie ein unsichtbarer Faden durch die Menge zog.

Dieses Weihnachten war anders. Es war ein Weihnachten, das Eldoria für immer verändern sollte, ein Beweis dafür, dass wahre Magie in den einfachsten Gesten liegt und im Mut etwas verändern zu wollen.

© Jürgen Lepszy 2024

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.